Während der Ausgrabungsarbeiten am Dionysos-Heiligtum in Dion (am Olymp, in Mazedonien), kam im August 1992 ein sensationeller Fund ans Licht: Eine Reihe metallener Pfeifen aus Kupfer und breiten Bronzeplatten mit den Abdrücken der Pfeifen. Der Fundort war das Erdgeschoss einer antiken Werkstatt gewesen.
Die Archäologen brachten den Fund mit großer Vorsicht in die Ausgrabungswerkstatt. Dort stellte der Leiter der Ausgrabung, Prof. Dr. Pantermalis, fest, dass es sich hier um ein Musikinstrument, die antike „Hydraulis“ (Wasserorgel), handelte. Die Hydraulis (Wasserorgel) von Dion wird ins 1ste Jhd. v. Chr. datiert. Sie ist das älteste erhaltene Instrument seiner Art.
Ktesibios, einer der berühmtesten Ingenieure der hellenistischen Zeit, baute die erste Wasserorgel. Das Instrument funktionierte durch Druckluft, die durch einen mit Wasser gefüllten Behälter erzeugt wurde. Die verschiedenen Töne wurden durch Röhren mit unterschiedlicher Höhe hervorgerufen. Später wurden dem Instrument weitere Flötenreihen hinzugefügt. Dadurch konnten dann mehrstimmige Akkorde gespielt werden. Die Hydraulis zeichnete sich durch einen starken, kräftigen Klang aus.
Diese Wasserorgel war während der hellenistischen Zeit ein sehr beliebtes Instrument im römischen Alexandria in Ägypten. Zum Instrument hatten jedoch ausschließlich Musikanten Zugang, die im Auftrag der Oberschicht von Alexandria spielten. Ab dem 5. Jhd bis zum 8.Jhd. Dann geriet die antike Wasserorgel im westlichen römischen Reich in Vergessenheit. Damals war das Reich aufgrund der Überfälle vornehmlich germanischer Völker stark gefährdet.
Im byzantinischen Kaiserhof wurde sie jedoch weiterhin verwendet. Dank regelmäßiger Weiterentwicklungen funktionierte sie dann irgendwann auch komplett ohne Wasser. Im Jahr 757 stellte der byzantinische Kaiser Konstantin V dem fränkischen König Pipin eine solche Orgel vor und schenkte sie ihm. Nur 50 Jahre später wurde die erste westliche Orgel dieser Art in Aachen am Hof Ludwig des Frommen hergestellt. Im byzantinischen Imperium blieb das Instrument bis zum Sturz des Reichs ein Besitz des Kaisers. Urkundlich letztmalig erwähnt wird eine byzantinische Orgel im Jahr 1449. Danach war dieses Instrument bis zur Ausgrabung in Dion in Vergessenheit geraten.
„Hydraulis“ gilt als Vorläufer der mittelalterlichen westlichen Kirchenorgel. Die in Dion ausgegrabene Wasserorgel können Sie dort im archäologischen Museum sehen. Und da Dion in der Antike eine Stadt mit starker militärischer und kultureller Bedeutung im Königreich von Mazedonien war, verfügt er heute über ein interessantes archäologisches Gelände.