Eigentlich mag ich Retsina nicht, aber ….

Eine unserer Griechenland-Urlaubsreisen führte Tochter Jana, Ehefrau Karin und mich auf die wunderschöne Insel Samos nach Kokkari. Dank eines kleinen Mietwagens, der glücklicherweise das Temperament und (fast) die Steigfähigkeiten einer Bergziege hatte, konnten wir uns viele schöne Winkel erschließen, die mit großen Reisebussen nicht erreichbar sind.

Nachdem wir von griechischen Freunden gehört hatten, dass es in dicht bewaldeten, steil zur Küste abfallenden Bergen eine geheimnisvolle Schlucht mit eindrucksvollen Wasserfällen geben sollte, machten wir uns eines Morgens auf den Weg. Die erhaltene Routenbeschreibung bis zu einer direkt am Steilufer gelegenen kleinen Kirche mit Parkplatz stimmte; von dort sollte nach hundert Metern ein schmaler Pfad von der Straße in das Dickicht hinein und „nach nur 10 Minuten“ Wanderung zum ersten Wasserfall führen.

Ein Glas des roten Visanto-WeinesTatsächlich fanden wir nach hundert Metern einen Waldweg und schritten erwartungsfroh drauflos. Nach einer halben Stunde bergan begannen wir, über die Zuverlässigkeit der Entfernungsschätzung unserer griechischen Freunde zu philosophieren. Da wir aber im Rauschen der Bäume auch das Rauschen von herabfallendem Wasser zu hören meinten, stiegen wir tapfer immer weiter. Nach einer Stunde fanden wir, Umkehren lohne sich nicht, die Wasserfälle müssten doch eigentlich ganz nah sein. Nach anderthalb Stunden endlich öffnete sich das Dickicht, doch statt der Wasserfälle sahen wir vor uns die Hütten eines kleinen Bergdorfes und vor der ersten Hütte ein älteres Ehepaar.

Mit Erleichterung und pelziger Zunge (die Wasserflaschen waren ja wegen der „nur 10 Minuten“ im Auto geblieben) baten wir für unsere Tochter um einen Schluck Wasser. Gastfreundlich stürzten die beiden Alten ins Haus. Für Jana und Karin brachte die Bäuerin ein Glas Orangensaft, und mir drückte der Bauer ein Glas honiggelben Retsinas in die Hand.

Karin & ich waren uns bis dahin eigentlich einig, dass Retsina für unseren Gaumen viel zu herb sei. Aber in diesem Moment hätte nichts auf der Welt besser geschmeckt als dieser eiskalte Retsina aus dem Felsenkeller hinter des Bauern Haus!

PS: Da des Griechischen kaum mächtig, versuchten wir gestikulierend und lautmalend zu erfragen, wo denn „die Wasserfälle“ seien. Es dauerte, aber dann verstanden die beiden, dass wir die „katarakti“ suchten. Es stellte sich heraus, dass wir die Straße hundert Meter hätten weitergehen müssen, um den richtigen Pfad zu finden. Unsere Bergwanderung hatte uns in großer Höhe und in großem Bogen um die Schlucht mit den „katarakati“ herumgeführt.

Den Bogen fortsetzend, fanden wir nach weiteren anderthalb Stunden zur Küste und zu unserer „Bergziege“ zurück. Den wunderbar durstlöschenden Geschmack des Retsinas hatte ich noch bis zu unserer Rückkehr ins Hotel auf der Zunge und war dankbar dafür. Und am nächsten Tag fanden wir dann tatsächlich den richtigen Weg – das Schauspiel am Ziel war überwältigend, aber das ist eine andere Geschichte.

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